Aus Unterschieden werden Gemeinsamkeiten

Ich weiß nicht genau was mich erwartet, an der Lebensmittelausgabestelle der Münchner Tafel in Milbertshofen. Mit den Flyern von KulturRaum, die auf unsere Arbeit und unsere Angebote aufmerksam machen sollen, fahre ich zur Dankeskirche. Menschen stehen in der Schlange und bekommen Lebensmittel ausgegeben. Die unterschiedlichsten Menschen – Mütter mit Kindern, Geschwister, große Familien, Einzelpersonen, Menschen in Begleitung, weil sie nicht mehr ganz mobil sind – alle unterschiedlichen Alters. Sie tragen unterschiedliche Geschichten mit sich und stehen aus den unterschiedlichsten Gründen hier – vielleicht mussten sie aus ihrer Heimat fliehen. Und doch haben sie etwas gemeinsam, ihr Geld reicht nicht aus um sich und ihre Familien zu ernähren oder von der Rente leben zu können.

Kultur.vor.Ort in Milbertshofen

Wir haben hier einen Tisch mit Informationsmaterial zu KulturRaum und zu den kostenfreien Kulturangeboten in München. Die Reaktionen auf meine Hinweise zur Einrichtung und den Kulturtipps – unterschiedlich. Die einen sind neugierig und freuen sich über die Informationen. Andere sagen sie haben keine Zeit oder gehen wortlos vorbei. Das ein oder andere Mal melden sich Gäste sogar sofort bei uns an.

Bekannte Gesichter

Nach ein paar Einsätzen in Milbertshofen gibt es Menschen die ich sofort erkenne. Wir grüßen uns, lächeln uns zu oder unterhalten uns kurz. Es ergeben sich nette kleine Gespräche. Ein Pärchen aus der Ukraine ist neu und neugierig was wir hier „anbieten“. Erst seit wenigen Wochen leben sie in Deutschland und erzählen mir auf Englisch, dass sie gerade einen Deutschkurs begonnen haben. Also versuchen wir uns auf Deutsch zu unterhalten. Die junge Frau entschuldigt sich sofort für ihre schlechten Kenntnisse, ich allerdings bin beeindruckt wie gut beide schon verstehen und sprechen können. Ich freue mich jedes Mal sie zu sehen. Wir werden uns in den nächsten Wochen immer wieder miteinander unterhalten – jedes Mal mehr auf Deutsch. Sie sind sehr interessiert am Angebot von KulturRaum und planen, sich bald anzumelden. Immer wenn wir uns sehen frage ich nach, ob sie bereits KulturGäste sind, was sie bis jetzt noch verneinen. Ich denke ihr Anspruch, die deutsche Sprache „besser“ zu beherrschen ist groß.

Welche Bedeutung hat Kultur?

Probleme mit den Menschen in Kontakt zu kommen habe ich nicht. Als Sozialpädagogin habe ich 15 Jahre lang mit Jugendlichen und Erwachsenen gearbeitet. Ich muss aber gestehen, dass ich vor meinem ersten Einsatz lange darüber nachgedacht habe, welchen Stellenwert Kultur eigentlich einnimmt wenn man am Existenzminimum lebt und nicht genau weiß wie man seine Familie satt bekommen soll. Wie mache ich die Menschen in dieser Situation auf uns und unsere Arbeit aufmerksam? Schließt eine schwierige Lebenssituation den Wunsch nach Kultur aus und sind das Widersprüche? Oder ist genau deswegen Kultur so wichtig?
Die eine Antwort gibt es nicht. Es gibt unterschiedliche Emotionen dazu. Vielleicht geht es um die Möglichkeit für eine gewisse Zeit Leichtigkeit zu erleben, abgelenkt zu sein, seinen Kindern „etwas“ bieten zu können, ohne dafür viel Geld bezahlen zu müssen. Oder vielleicht geht es um das Gefühl trotz der Situation nicht am Rande der Gesellschaft zu stehen – „Teilhaben“ eben. Mir fällt ein Zitat eines Gastes ein, welches mich sehr berührt hat. Er schrieb an KulturRaum in einem Feedback „Kultur ist ein Grundbedürfnis, weil sie in den Menschen etwas zum schwingen bringen kann.“ Ich denke ich weiß genau was er meint und ich stimme ihm zu 100 Prozent zu. Mir geht es mit Musik so.

Eine wichtige Konstante

Die kleine Hemmschwelle in mir, die Menschen vor Ort auf die Angebote von KulturRaum aufmerksam zu machen ist ganz schnell verflogen. Das Interesse an Kultur sowie der Umgang mit unserem Angebot ist unterschiedlich. Das Schöne an Kultur.vor.Ort ist, dass immer jemand vor Ort ist. Die Mitarbeiter:innen und Ehrenamtlichen sind wie eine Konstante an den Ausgabestellen. Somit können die Menschen entscheiden, ob und wann sie mit uns ins Gespräch kommen wollen.

Zum Schluss

Kultur hat unterschiedliche Bedeutungen – sie kann beflügeln, ablenken, zum Nachdenken anregen, sie macht glücklich und kann in persönlichen Krisen helfen. Für mich ist sie ein wichtiger Teil für die (mentale) Gesundheit eines Menschen und sollte für alle, unabhängig vom Einkommen, Geschlecht, Alter oder Herkunft zugänglich sein! Nicht jede:r hat die Mittel regelmäßig ein Konzert zu besuchen, ins Theater oder ins Kino zu gehen. Dafür leistet KulturRaum einen wichtigen Beitrag – Kultur für alle zugänglich zu machen.
Das finde ich großartig!

Text: Katharina Menig